meine gehörte musik und mein erleben war jetzt besonders kontrastreich.

 

 

unterricht als referendar
ich hatte eine 9.klasse in politik und eine 10. in deutsch; in fulda hieß das wie früher obertertia und untersekunda. dazu eine quinta (6.), oberstufe bekamen referendare nicht. in den klassenräumen fiel mir schon in den ersten tagen das kruzifix über der tür auf, ich kannte das aus norddeutschland nicht. nach drei tagen hatte ich mich daran gewöhnt und machte kein gewese daraus, wie es mal durch die zeitungen ging. das ist dort üblich und fertig. das ist dort eine tradition, die ich einfach akzeptiert habe! - auch wenn sie katholisch ist. ;-)


aufgefallen ist mir die bravheit, eigentlich schon die gehorsamkeit der schüler:innen. meine 12. klassen am viti waren zwar auch unanstrengend, aber nicht so gehorsam, naja, allerdings auch älter.
(hatte ich mal eine stunde einer 10. klasse in zeven? offenbar. die waren ähnlich brav, ich stellte ne erörterungsfrage und wartete, sagte nichts und lehnte mich hinten an die wand. auch die klasse war stumm, einige kuckten scheu zu mir nach hinten, sagte nichts. keine(r). sowas waren sie einfach nicht gewohnt. es hat minuten gedauert, bis sich dann endlich eine schülerin meldete. worum ging es dabei? war das thema abtreibung? das mädchen, das sich gemeldet hatte, sprach sich entschieden dagegen aus. endlich, der bann war gebrochen! - sie kannten frau k. in erdkunde, wo das prinzip des faltengebirges mal eben an ihrem zusammen geschobenen unterrock demonstriert wurde. aber meinungen äußern, das kam bisher nicht vor.)



aber ganz ohne war die untersekunda auch nicht. einmal, es war gottseidank sommer, setzte ich mich an das lehrerpult und merkte, dass die kleine mulde auf dem stuhl mit wasser gefüllt war. (hinterhältig ;-) ich hatte mich in eine wasserpfütze gesetzt! oje, was tun? ich hab dann im unterricht nur noch gestanden, gute miene zum bösen spiel gemacht und das ende der stunde abgewartet, hoffend, dass die hose dann wieder einigermaßen trocken war. (das klappte wohl auch. ich hatte keine jeans an, sondern so einen dünnen sommerlichen stoff, das war wohl gut.) heimlich dachte ich, endlich sind die mal ein wenig aufmüpfig! dass das so nun auf meine kosten gegangen ist, hatte ich natürlich nicht gewollt - natürlich nicht!!


dann, 9. klasse, politik, also früher gemeinschaftskunde. wir haben irgendwas besprochen und - wie kam das bloß?? - in zeven wäre das definitiv nicht passiert!! - da stand die frage im raum: was ist wichtiger, brot oder gebet. eine schülerin meldete sich und sagte: gebet.
meine reaktion war völlig unpädagogisch, denn das konnte ich einfach nicht fassen. habe mich wohl amüsiert oder gelacht oder mich sonstwie geäußert.

in der nächsten stunde kam die schülerin zu mir und richtete mir aus, dass ihr vater, ich glaube, er war kinderarzt, mich sprechen wollte. oje, da habe ich wohl in ein fettnäpfchen getreten.
kann sein, dass ich zur terminabsprache mit ihm telefoniert habe, er bat mich, an einem frühen abend "auf ein glas wein" zu ihm zu kommen. ich fuhr hin und mir war doch etwas mulmig zumute, völlig unklar, was da auf mich zukommen würde.
ich fasse zusammen: es war ein sehr entspanntes gespräch, sogar ein richtig tolles gespräch. von dem unterrichtsvorfall kein wort. es war so nett, dass ich meine tief sitzenden vorurteile katholiken gegenüber nicht unerheblich revidiert habe. ja, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet!!

heute denke ich: vll dachte der vater zunächst, dass ich ein unangenehmer zeitgenosse sei, intolerant und für die schule ungeeignet, zumal für junge schüler. offensichtlich konnte ich ihn vom gegenteil überzeugen. ;-)

auch die aussage der schülerin war vll anders zu verstehen: dass sie nämlich im sinne einer katholischen erziehung diese bemerkung machte, was sie als gehorsame schülerin glaubte sagen zu müssen - ohne es zu empfinden. vielleicht, ins bild passen würde es jedenfalls.

 

einmal wurde ich auf einen klassenausflug nach kassel mitgenommen; war nur begleiter, die klasse kannte ich nicht. wir liefen in wilhelmshöhe rum. ein ausflugsziel ganz anderer art. ich war sonst nur flachland gewohnt, außer harz. eine schöne abwechslung.


herrlich - kassel, wilhelmshöhe im schnee

unten: der hess. rundfunk
drehte gerade einen film,
das war ja spannend.
die burg
ist nur eine ruine
- als ruine erbaut.
(1714 - 1717)
eine spielart des historismus

 

 

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märchen und meine erste lehrprobe
märchen sind, so lange ich denken kann, ein lieblingsthema für mich, unterrichtet habe ich sie oft in der sek I. einmal in einer 5., bei denen ich diese absolut (alters)-typische aversion gegen märchen herrlich überwinden konnte. die haben dann selbst märchen geschrieben. - in der sek II. machte ich märchentheorie nach dem buch: wege der märchenforschung und zum schuljahresende verwendete ich die herrlichen märchenverformungen von iring fetscher, wer hat dornröschen wachgeküsst?

ich hatte in meiner 6. klasse, quinta, einen besonders kreativen schüler, a. a.; er schenkte mir zB ein DIN A 5 heft mit selbstgemaltem titelbild zum märchen das blaue licht, ich glaube selbst verändert. (ich finde es im moment leider nicht! - wenn ich die autobiografie überarbeite, V2, dann hab ich das heft sicher gefunden.)
eine andere arbeit von ihm, er produzierte immer mal wieder geschichten für mich, habe ich gottseidank kopiert.

leider war die kopierqualität noch sehr schlecht, aber ich zeige hier mal den anfang der 7-seitigen erzählung auf DIN A 4 und dazu zwei zeichnungen, von mir "restauriert" - so gut es eben geht ;-). man ahnt bei den zeichnungen die kunstfertigkeit des schülers a.w.

ist das links ein mensch, gefangen in imaginären scheren?

und rechts. sind das zwei menschen, die miteinander kämpfen oder sich umarmen. zeichnerische werke von einem schüler der 6. klasse - unglaublich!
die bedeutung ergibt sich sicher aus der geschichte, die ich bis jetzt noch nicht wieder gelesen habe. mache ich noch, aber schwer zu entziffern.

einem anderen schüler der klasse musste ich leider in einem diktat eine 5 geben. er kam weinend zu mir und fragte mich:"gell, herr behn, jetzt mögen sie mich nicht mehr leiden? o, da musste ich sehr trösten, ich glaube und hoffe, ich habe das richtig gemacht. ist ja rührend, aber als betroffenes kind sieht man das natürlich anders.

jetzt also meine erste lehrprobe im fach deutsch.
ich widmete mich also den märchen. die stunde lief sehr, sehr gut, sie war von allen meinen lehrproben in fulda meine allerbeste. bei der noten-besprechung lief es folgerichtig auf eine eins hinaus. (ich habe ihnen vll von meiner unterrichtserfahrung erzählt.) da kam der schulleiter h. in den raum, fragte, worum es ginge und welche zensur ich bekommen sollte. als er das hörte, sagte er nein, das geht nicht, die erste lehrprobe kann keine eins sein, ausgeschlossen! da hatte ich eben keine eins.

 

chr

chr hab ich dort kennen gelernt und wir waren bald ein herz und eine seele. wenn unser deutsch-fachberater z uns eine nachricht ins fach legte, dann schrieb er unsere beiden namen drauf, dazwischen ein /.

chr war völlig anders sozialisiert als ich. ich religiös völlig liberal, während er eine "harte" katholische erziehung erhalten hat und pfarrer werden sollte. er war sogar im priesterseminar gewesen, (war ... gewesen = typisch hessisch oder typisch chr) erzählte er mir, kuckte am ersten tag, in seinem zimmer angekommen, aus dem fenster, sah gerade ein paar mädchen vorbeigehen; sofort stand sein entschluss fest, priester wollte er doch nicht werden.
sprachlich geschickt wie er war, katholisch wie er war, hatte er es sogar zum pressesprecher eines politikers gebracht. ich fiel fast in ohnmacht, als er sagte, wessen pressesprecher er war. der von alfred dregger aus fulda, ein rechtsaußen - politiker, der ne zeit bundespolitische bedeutung hatte.

jetzt war er natürlich nicht mehr pressesprecher, denn er hatte mich mittlerweile links überholt.
die AKW-baustelle brockdorf ist doch bei dir in der nähe. o, da musste ich ihn aufklären, dass es von zeven noch eine ganze ecke bis brokdorf jenseits der elbe war. (ich bin erst auf meiner fahrradtour 2020 direkt am gelände vorbei gefahren.)

wenn wir gemeinsam pause hatten, dann fuhren wir zum café prüfer und ich aß dort immer die fürst-pückler-schnitte, hmm, die hat geschmeckt.
dabei erzählte er oft von seiner jugend im katholischen land. zum beispiel von der beichte; da hab ich mich drüber lustig gemacht. aber erzählte mir, wie sie damit umgegangen sind: sie beichteten, was sie am wochenende alles schlimmes angestellt hätten, hatten sie aber gar nicht, sondern am bevorstehenden wochenende wollten sie das alles erst tun.

oft war ich bei ihm, er bei mir im unterricht und wir unterhielten uns dann über positives und negatives.
als wir in den ersten tagen nach einer stunde zum lehrerzimmer gegangen sind, machte vor uns ein lehrer die tür auf und blockierte uns mit seinem arm, drehte seinen kopf rückwärts zu uns um und fragte: "was gibt's?" chr sagte ganz trocken: "wir wollen hier rein."

einmal nahm chr mich mit in die rhön, zu den eltern seiner freundin. hier fragte er die mutter: (er wusste, was er tat) "sag doch mal jürgen, wie oft du in die kirche gehst." "naja", sagte sie: "fünfmal am tag, ganz normal." o gott, hab ich das falsch in erinnerung, dass sie vielleicht fünfmal beten gesagt hat? nein, ich glaube nicht. und dieses "ganz normal" hab ich geradezu noch im ohr!
sie wohnten in einem kleinen rhön-dorf mit kirche. chr weidete sich an meiner sprachlosigkeit.

(er erntete übrigens keine aggressionen mit seiner provokation, das fiel mir auf.)


personalrat - wanderungen der deutschgruppe z. - seminararbeit - 2. examen

   

 

 

 

 

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Ich interessiere mich für sehr unterschiedliche Dinge:
Internet,
Musik, Naturwissenschaften, Politik (aber nicht dauernd), Literatur (z. B. Märchen), aber auch für Drachen (schließlich mein Wappentier), für Schnee (!) und für Hexen. Hexen = das ist missverständlich und ich habe schon besorgte Reaktionen dazu bekommen. Deshalb eine kurze Definition: der Begriff "Hexe" wird meist in der christlichen Deutung verwendet, das ist aber ein politisch-religiöser Kampfbegriff, um die Herrschaft des seinerzeit aufkommenden Christentums nicht zu gefährden. Die "Hexen" waren z. B. "Kräuterweiber" mit dem Verständnis für natürliche Zusammenhänge, für Menschen, insbesondere für Frauen (die in der christlichen Welt in eine untergeordnete Rolle gepresst wurden). Hexen sind eine Erinnerung an die vorchristliche Naturverbundenheit. - Und wenn man will, kann man hier den Bezug zu meiner Gothic-Vorliebe erahnen.

oder mit anderen Worten:
Das Bild der Hexe, wie wir es aus den bekanntesten Märchen kennen, ist sehr einseitig. Als Kinderschreck ist sie alt, hässlich und böse. Dabei ist diese Vorstellung, Relikt aus der spätmittelalterlichen Hexenverfolgung, nur ein Aspekt unter vielen.
Der Glaube an Hexen reicht weit in die vorchristliche Zeit (…) zurück. Ursprünglich war die Hexe eine Priesterin der großen Muttergottheit. Sie war ambivalent, d. h. sowohl helfend und heilend als auch bedrohend und vernichtend. In den Mythologien verschiedener Völker spielt die Hexe als große Magierin eine wichtige Rolle. Sie war zwar gefürchtet, genoss aber auf Grund ihres Wissens als Ratgeberin großes Ansehen.
Aus: Märchen von Hexen und weisen Frauen.Hrsg.: Sigrid Früh


Irgendwann habe ich wohl den Link zu meiner Schiller-Arbeit hier gelöscht.
Jetzt ist er jedenfalls wieder da:

FRIEDRICH SCHILLERS HISTORISCHE SCHRIFTEN


Literarische Wirkungsabsicht und rhetorische Tradition [Handlungshemmung] im 18. Jahrhundert

Eine germanistische Hauptseminar-Arbeit über das 18. Jahrhundert. Auch wenn es einige Vorkenntnisse voraussetzt, kann man dieser Arbeit manches Interessante entnehmen, z. B. das Cool-Sein schon im 18. Jahrhundert. - Es folgt hier ein einführender Text, der die Verwendung dieser Arbeit erleichtern soll. Vieles Denken und Fühlen, was wir so als einmalig und normal und gegeben hinnehmen - hat sich entwickelt und das vor allem in diesem 18. Jahrhundert!

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