Ärger über Syrien-Beitrag "Putin beleidigt die Intelligenz der Amerikaner"

Wladimir Putin kritisiert die Amerikaner

(Foto: AFP)

Der russische Präsident legt in der "New York Times" seine Sicht zu Syrien dar und provoziert mit der Vermutung, es seien die Rebellen gewesen, die Giftgas eingesetzt hätten. Viel mehr empört die Amerikaner aber, dass er ihre "Einzigartigkeit" in Zweifel zieht.

"Sag über die Russen, was du willst, aber dieses Entgegenkommen ist beispiellos", schreibt ein Leser der New York Times unter den Gastbeitrag von Wladimir Putin anlässlich der Syrienkrise. "Unsere Regierung sollte die Geste der russischen Regierung nicht ignorieren." Es ist einer der wenigen begeisterten Kommentare unter dem Artikel, der gestern in der angesehenen US-Zeitung veröffentlicht wurde. Vesti.ru, ein Nachrichtenportal des russischen Staatsfernsehens, hat einige ausgewählte Beiträge für seine Leser übersetzt. "Lob für seinen Diskussionsbeitrag" etwa, so die Meinung von einem George aus San Jose.

Ein exaktes Stimmungsbild fängt die russische Nachrichtenseite damit nicht gerade ein. Denn die meisten Amerikaner sind - über die Parteigrenzen hinweg - empört über Putins Aussagen. Etwa dass Washington in Konflikten zunehmend auf "rohe Gewalt" setze und die Amerikaner überheblich seien, weil sie sich für außergewöhnlich hielten. Außerdem stellt Putin die Vermutung an, die syrischen Rebellen hätten das Giftgas eingesetzt, um ein Eingreifen des Auslands zu provozieren - und nicht das Assad-Regime.

"Ich wollte mich fast übergeben", sagte der demokratische Senator Robert Menendez dem Sender CNN. "Ich war sauer", gab der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, zu Protokoll, ohne Details nennen zu wollen.

Senator John McCain schrieb auf Twitter, der Text sei "eine Beleidigung der Intelligenz eines jeden Amerikaners". Sein republikanischer Parteifreund Senator Jim Inhofe sagte: "Es macht mich krank, dass wir dasitzen und dies lesen müssen."

Barack Obama selbst äußerte sich nicht, doch sein Sprecher drehte den Spieß um und warf Moskau fehlende Meinungsfreiheit vor: "Im Gegensatz zu Russland stehen die USA für demokratische Werte und Menschenrechte im eigenen Land und rund um die Welt ein", sagte Jay Carney. "Ich denke, man kann ruhig hervorheben, dass viel Ironie in der Platzierung eines Meinungsstückes wie diesem liegt, weil es die wahrlich einzigartige Tradition der Meinungsfreiheit in diesem Land widerspiegelt." Diese Tradition werde von Russland nicht geteilt. Auch Diplomaten werten Putins Beitrag als "publizistische Ohrfeige".

Amerika ist nicht besser, nur anders

Besonders dass Putin Amerikas Glauben an seine Einzigartigkeit kritisiert, scheint viele zu treffen. "Schauen Sie sich den Kongress an. Würden wir uns von denen vertreten lassen, wenn wir uns wirklich für etwas Besseres hielten?", witzelt Dana Milbank von der Washington Post in seiner "Antwort des amerikanischen Volkes an Putin" - um anschließend das Missverständnis aufzuklären: "Einzigartigkeit" bedeute nicht, dass Amerika besser sei als andere Ländern, sondern - aufgrund seiner langen Einwanderungsgeschichte - nur anders.

Russische Medien berichten nur knapp über Putins Artikel und die Reaktionen darauf - und heben wie vesti.ru die positiven hervor. Auf Twitter hingegen spotten viele Russen. Einige fragen sich, ob Obama nun wohl auch eine Antwort in einer russischen Tageszeitung veröffentlichen wird. Andere freuen sich besonders über den salbungsvollen Schlusssatz von Putins Artikel, wir seien zwar unterschiedlich, aber vor Gott doch alle gleichwertig. "Wo kommt der Satz her? In der Bibel finde ich ihn nicht."

Mit dem Hashtag #PutinForPeace fordern einige User sogar, der russische Präsident hätte nun auch den Friedesnobelpreis verdient, der Obama schon verliehen wurde. Einer kommentiert diesen Vorschlag: "Wenn Putin den Nobelpreis bekommen sollte, muss der nächste Nobelpreisträger ganz klar Darth Vader sein."

Angesichts der schwierigen Arbeitsbedingungen für Journalisten im autokratisch regierten Russland verbindet der Oppositionspolitiker und frühere Schachweltmeister Garri Kasparow seinen Spott mit ernstem Hintergrund: "Ich hoffe, Putin hat angemessene Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Jetzt, wo er ein russischer Journalist ist, ist sein Leben womöglich in Gefahr."